Mit Schreiben die Künste verbinden

Sitzt jemand mit Block und Stift vor einem Bild, denkt man sofort an einen Künstler, der sich von einem Bild inspirieren lässt – entweder indem er das Bild kopiert, nachempfindet oder eine Antwort darauf zeichnet oder malt.

Es könnte aber genauso sein, dass dort jemand sitzt, der einen Text zum Bild schreibt – das kann ein Gedicht, ein Kürzesttext, eine Kurzgeschichte oder ein Krimi oder eine andere literarische Möglichkeit sein.

In der Literatur werden immer wieder andere Künste eingebunden. Sie können in einem Text erwähnt werden, ein Protagonist kann Künstler sein. Texte können aber auch entstehen, weil der Autor sich von einem Kunstwerk inspiriert fühlt.

In Romanen werden gerne Zitate verwendet – häufig zu Beginn der Geschichte oder als Anfang eines Kapitels. Auf ähnliche Weise kann ein Bild, eine Skulptur, ein Lied oder Musikstück eine Aussage zu einem Text sein.

Eine Möglichkeit, sich einem Bild anders als nur betrachtend und reflektierend zu nähern, ist, dieses Bild als Standbild zu nehmen und sich zu überlegen, was davor geschehen ist, was während des Bilds passiert und was danach stattfindet. So kann eine Geschichte zu diesem Bild geschrieben und das Bild auf diese Weise anders wahrgenommen und letztlich auch begriffen werden.

Gleiches gilt für Skulpturen. Hier kann schon der Standort, von dem aus man das Objekt betrachtet, zu einem anderen Gefühl und somit einer anderen Geschichte führen: Eine Figur, die von vorn und in Augenhöhe gesehen als nachdenklich und stark wahrgenommen wird, kann von der Seite und vielleicht sitzend angeschaut auf den Betrachter resigniert oder demütig wirken. Entsprechend ändert sich auch die Geschichte, in der die beschriebene Figur eine Rolle spielt.

Ähnlich könnte ein Autor auch den Künstler, der das Kunstwerk schuf, in Bezug dazu bringen. Es könnte ein Text darüber entstehen, was den Maler oder Bildhauer dazu gebracht hat, das Werk zu beginnen, auszuformen und zu beenden. Vielleicht gibt es auch eine weiterführende Geschichte zwischen dem Künstler und seinem Werk.

Wer mit dieser Form der Literaturerstellung experimentieren möchte, kann auch Einrichtungsgegenstände und Kunst kombinieren. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Gespräch zwischen einem streibaren Ikea Ektorp Bezug und dem Protagonisten auf einem Foto von Herb Ritts, beispielsweise ‚Fred with Tires‘?

Ebenso kann man ein Musikstück, möglichst eines von mindestens zehn Minuten Dauer, zunächst ganz anhören und dann, während man es ein zweites oder drittes Mal hört, assoziativ ein Bild dazu malen. Im nächsten Schritt schreibt man zu dem Bild, während man das Musikstück hört, einen Text – er kann poetisch werden, es kann sich aber auch eine Geschichte herauskristallisieren, die der Autor weiter verfolgen kann.

Diese Form des Schreibens ermöglicht einen tieferen Zugang zu verschiedenen Kunstformen. Denn die Auseinandersetzung mit einem Bild, einer Skulptur, einem Musikstück oder auch einem geschriebenen Text, auf welche man jeweils seine Gedanken fokussiert und sich einlässt, um seinen Assoziationen zum Kunstwerk freien Lauf zu lassen, bringt das Unterbewusstsein mit ins Spiel. Das kann den Schreibenden, aber auch den, der den Text in Verbindung mit dem ursprünglichen Kunstwerk liest, zu neuen Erkenntnissen bringen.

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